KROPINSKI - Poträt von ALEXANDER SCHMITZ

Ganz schön ab-saitiger Zauberer: Uwe Kropinski

Kluger Lakoniker

Ein Profilneurotiker ist er beileibe nicht, keiner, der viel Gedöns macht um sich selbst und seine Musik. Die lässt er für sich selbst sprechen, und deshalb sind Daten und Fakten um ihn als Person eher dürftig gesät in den Printmedien und im Internet. Das verleiht ihm so ein bisschen die Aura des Eremiten, und auf alle Fälle entsteht im Laufe der Jahre des Zuhörens und des Beobachtens der Eindruck von einem bescheidenen Menschen, der mit neumodisch-kapitalistischem Hype und all dem Marketing-Geklappere, das angeblich zum Handwerk gehört, nichts am Hut hat. Dass er irgendwas vom Querdenker hat, kann so falsch auch nicht sein.

Er hält seine Gitarren ähnlich senkrecht beim Spielen wie sein amerikanischer Kollege, der Jazzgitarrist John Stowell, mit dem er ja auch schon Aufnahmen gemacht hat (“Picture in Black and White, AMR 1995). Und was er mit seinen Gitarren so alles anstellt, ist auch nicht das, was man gemeinhin erwartet. UweKropinski, einer der profiliertesten Akustikgitarristen und unter denen sehr wahrscheinlich der individualistischste überhaupt, macht ständig neugierig. Und vor allem: Er verblüfft, und zwar nicht nur das Publikum, sondern Kollegen vom Fach ebenso. Dass Pat Metheny gesagt hat, er könne kaum begreifen, was sein deutscher Kollege mit seiner Gitarre so alles anstellt, ist ja ein Kompliment der besonderen Art.

Geboren wurde Uwe 1952, “drüben”, im “anderen” Deutschland. Mit 14 Jahren fing er an, Gitarre zu spielen. Dann gibt er das Jahr 1972 mit dem Zusatz an, da habe er in verschiedenen Bands Rockgitarre gespielt - eine verbreitete Krankheit unter Heranwachsenden, noch heute. Er scheint schnell gesund geworden zu sein, denn 1973 ging er dorthin, wo man in der DDR eben hin ging, wenn man musikalisch was werden wollte, an die Berliner Musikhochschule Hanns Eisler, so eine Art GIT oder Berklee für ostdeutsche Gitarristen aller Stile. Dort blieb er bis 1976, und ein Jahr später begann er, Jazz zu spielen, notabene Free Jazz und “improvisierte Musik”, und im selben Jahr noch trat er erstmals solistisch auf. Das folgende Jahrzehnt fand ihn, inzwischen selbst Lehrer an der Hanns Eisler, als Mitglied diverser Jazz- und Improvisationsgruppen, darunter denen des Posaunisten Konrad Bauer, und als Kopf eines eigenen Quartetts mit Volker Schlott (as/ss), Günter Bartel (b) und Peter Gröning (dr). Vermerkt sind Duos mit John Tchicai und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Tänzern und Tänzerinnen, darunter Arila Siegert. Das ging so bis 1986. Als das Jahr sich neigte, siedelte er von Ost nach West um und ließ sich für ein Jahr in Nürnberg nieder, bevor er ganz nach Köln umzog. Die Jahre nach dem Grenzwechsel sind europäische Jahre gewesen, vermerkt Uwe. Da hat er in fast jedem Land gespielt. Das Jahr 1988 markiert so etwas wie den Durchbruch dieses eher wortkargen gitarristischen Einzelgängers. Die erstaunte Fachpresse wird im internationalen Rahmen auf ihn aufmerksam, vor allem, als er 1989 gemeinsam mit dem Amerikaner David Friesen das Album “Dancing with the Bass” veröffentlicht. Überhaupt ist nach schier unendlichen Jahren des Solo-Spielens die kleine Besetzung, das Duo, die absolut favorisierte. Die Platten mit Dieter Köhnlein, John Stowell, Volker Schlott und David Friesen legen darüber beredtes Zeugnis ab. Uwe selbst hat in einem Interview mit Andreas Schulz auf die Frage nach der Entwicklung seiner unorthodoxen Spieltechniken erklärt: “Die [Techniken] stammen aus einer ganz anderen Zeit. Ein Posaunist, Konrad Bauer, wollte eine Band gründen und sprach mich an. Bis dahin spielte ich Rockmusik, mit E-Gitarre, und er wollte eine Free-Jazz-Band machen. Von heute auf morgen bin ich da reingerutscht und fing an, nach anderen Techniken zu suchen. Ich wußte genau, was ich nicht machen wollte. Solche extremen Situationen sind sehr wertvoll, der berühmte Sprung ins kalte Wasser. Man entwickelt eine Energie und Initiative, die man sonst nicht hat. Und da begann dann auch die geräuschhafte und

perkussive Spielweise. Die Ideen habe ich seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Ich habe einen Riesenspaß daran, etwas zu entdecken und es dann anders zu machen ...”

Nach vielen strapaziösen Jahren des Solo-Spielens, sagte er, sei ihm sehr daran gelegen gewesen, im Zusammenspiel mit anderen Musikern neue Impulse für sein eigenes Spiel zu entwickeln. Zur Zeit ist sein Duo-Partner der Multi-Flötist Michael Heupel, mit dem er kürzlich seine jüngste CD “Sentimental Moods” vorlegte, wieder ein veritables Feuerwerk der Ideen und des scheinbaren Understatements, das für seine Spielweise so typisch ist, eine Spielweise, die den Eindruck vermittelt, dass hier jemand aus der Gabe, mit wenig viel zu erreichen, ein nahezu geniales System entwickelt hat: Mehr “Dialekte”, mehr “Sprechweisen” hat vor Uwe noch kein Mensch aus der Konzertgitarre geholt. Was nun nicht heißen soll, dass da ein professioneller Untertreiber mit der Wanderklampfe verrückt gewordene Flötisten beschrubben würde. Kropinski spielt neben völlig “normalen” Tenor-, also klassischen Konzert- Gitarren exklusiv von Theo Scharpach gebaute Nylon- und Steelstrings mit über das Schallloch hinweg verlängerten Hälsen mit - auf der höchsten Saite - 39 Bünden und scalloped fretboards, Griffbrettern, deren Bundflächen ausgekehlt sind. Ausgehöhlte Bünde gab es bereits zu Zeiten der Barockgitarre, deren höfisch-elegante Spielerinnen nicht dazu veranlasst sein sollten, sich von ihren langen Fingernägeln zu trennen und deshalb mehr Tiefe auf den Griffbrettern benötigten. Kropinski nutzt die skallopierten Flächen für seine Tappings und Bendings. Aber sind nur zwei der enorm vielen technischen Facetten seines Spiels, Facetten, die er immer wieder in kleinsten Zeiträumen virtuos miteinander verschränkt. Anders gesagt: Wenn die meisterlich beherrschte herkömmliche Gitarre so etwas wie Miniatur-Orchester ist, dann bietet Uwes Spiel wahrlich die kleinste Big Band der Welt. Eine mit gleich mehreren Schlagzeugern, einer Batterie an einfallsreichen Perkussionisten und einer ganzen Heerschar kunterbunt gemischter Instrumente. Dieser bescheidene Mann, der sich fast scheu aus der schlagzeilen-geilen Öffentlichkeit heraushält, der Lakoniker, vielleicht auch Eremit, Skeptiker und Ironiker, der verwandelt sich auf Platte und Bühne in sein eigenes Gegenteil: einen freigiebigen und meisterhaften Dompteur von sechs Saiten.

Alexander Schmitz

www.agas-schmitz.de