“Am Anfang war der Schaden”                                                                                  Fotografien von Uwe “THEO” Kropinski



Sie sind überall.
Die meisten von ihnen bemerkt man kaum. Das liegt daran, dass es einfach zu viele sind. Aber - sie sind da.
Und so ist man auf die Idee gekommen jeden einzelnen anzukündigen. Wir haben uns ja angewöhnt die Dinge erst zu sehen, wenn sie in der Zeitung oder im Internet stehen, oder wenn sie uns wenigstens irgendwie anders  - präsentiert - werden. Wird uns etwas präsentiert , brauchen wir uns nicht erst die Mühe zu machen selbst hinzusehen. Bestes Beispiel ist das Wetter, dass uns früher vorhergesagt wurde.
Heute wird es uns von irgendeinem Möbelhaus oder einer Biermarke  - präsentiert. Im Gegensatz zu früheren Zeiten stimmt die Wettervorhersage heute fast immer. Find ich gut - sagt man heute werbewirksam. Traf die Wettervorhersage früher nicht zu, lag es ohne Frage am Wetter, heute sucht man die Schuld beim Möbelhaus, oder beim Bierhersteller. Bierhersteller erscheint mir dabei noch logischer.
Schon einige Male bin ich auf dem Bürgersteig ins Stolpern gekommen und habe stets die Schuld meiner eigenen körperlichen Ungeschicklichkeit zugeschrieben. Was für ein Narr war ich doch! Ich hatte nur vergessen das Schild zu lesen!  Hätte ich das Schild gelesen, wäre diese von uns allen so krampfhaft gesuchte Einheit zwischen Körper und Geist nicht aus dem Gleichgewicht und ich nicht ins Stolpern geraten.

Worum geht es eigentlich, werden sich nun einige von ihnen fragen. Ich sag’s ihnen. Es geht um etwas, das in unserer Stadt so häufig angekundigt wird, dass es die wenigsten von uns überhaupt noch wahrnehmen.
Es geht um - Gehwegschäden.
Ja. Wir haben Gehwegschäden und das in unglaublicher Menge. Manchmal sogar “Gehbahnschäden” oder, noch schlimmer, “Schäden im Gehwegbereich”, oder wir finden sie gar “am Bahnsteigbelag”.  Ganz zu schweigen von Strassenschäden. Schäden werden einem an jeder Ecke - präsentiert. Man kann einen Schaden doch wohl nicht dadurch beseitigen, dass man ständig auf ihn hinweisst?  Was die Gehwegschäden angeht ist  genau das geschehen. Sie sind im Schilderwald verschwunden. Es hat eine Menge Zeit und Geld gekostet all die Schilder aufzustellen.
Hätte man einen Teil davon in das Übel selbst  - die Schäden - investiert, wäre ein Grossteil davon längst verschwunden.
Dafür ist es jetzt zu spät. Wir haben beides, die Schäden und die Schilder. Beides zu beseitigen hiesse doppelt soviel Zeit und Geld zu investieren.
Das ist keine Lösung.
Jedes Schild hat seinen eigenen Schaden. Aber was sieht man hinter der Oberfläche dieses Schadens? Hat nicht jedes Schild seine eigene Geschichte? Tut sich dahinter nicht die ganze Schönheit der Grossstadt auf. Sieht nicht jedes Schild anders aus - in seinem Kiez?
Was wir brauchen ist eine andere Sichtweise auf unsere Schilder. Das Schild soll uns doch vom Stolpern abhalten, wenn wir es aber gar nicht sehen, wird weitergestolpert wie bisher. Das Wichtigste ist also auf das Hinweisschild in aller Deutlichkeit hinzuweisen. Deshalb müssen unsere Schilder - präsentiert werden, wenn wir sie schon nicht beseitigen können, weil wir ja dann nur noch den Schaden hätten.
Sehen wir das Schild doch einmal so wie es wirklich ist.
Das neue Schild hat eine soziale Funktion. Mehr noch, wenn wir richtig hinschauen wird uns klar, wie so ein Schild unsere Sichtweise auf unsere Stadt ändert, wie es den urbanen Raum dahinter aufwertet, geradezu ins Unermessliche steigert.
Es klingt vermessen, aber - ein Schild ist ein Kunstwerk im öffentlichen Raum.
Es hat gegenüber anderen Kunstwerken, die schon im öffentlichen Raum standen, oder immer noch im Weg stehen, ich erinnere mich an Kühe in New York und Bären in Berlin, viele Vorteile. Es ist bereits da, man muss es nicht erst aufstellen, es steht zwar auch im Weg, hat aber dabei eine allen verständliche Funktion. Es steht praktisch überall in der Stadt, die Leute müssen nicht extra lange Wege zurücklegen um es zu sehen. Wer Glück hat findet sogar einige auf dem Weg zur Arbeit oder zum täglichen Einkauf. So wächst zusammen, was zusammengehört. Und das alles kostet nicht mal etwas. Ich sage ihnen, wer die Schönheit dieser Schilder nicht sehen kann, hat einfach eine falsche Sichtweise. Wer es aber kann, wird auf seinen Stadtspaziergängen von Genuss zu Genuss wandeln und ... er wird nicht mehr ins Stolpern kommen.
Wenn wir besser auf unsere Hinweisschilder hinweisen, wird dem worauf sie, die Schilder, hinweisen, den Schäden, erst die nötige Beachtung zuteil,

die sie ja schliesslich auch verdienen. Sonst übersehen wir bald beides, die Schäden und die Schilder und nehmen selbst Schaden, nämlich durch neuerliches Stolpern. Soweit darf es nicht kommen! Wir brauchen  einen Gehwegwechsel.
Ein erster Schritt auf diesem Wege ist getan. Hier sind sie, ein paar der schönsten Berliner Schäden.

präsentiert  von  
                       
Uwe THEO Kropinski